Namen und Zeitgeist Kulturgeschichte auch in der Familie
Als mein Urgroßvater Petschky in 1920iger Jahren die Namenstasse erfand gab es es ganz andere Namen alas heute. Denn Namen erzählen immer auch Zeitgeschichte. Diese Geschichten kann man ist auch auf Namenstassen nachvollziehen.
Nicht der große Zeitgeist sondern die persönlichen Vorlieben und Abneigungen haben die Auswahl der Namen auf den Tassen geprägt – wie folgende Geschichte zeigt:
Gibt es denn keine Namenstasse mit Johanna drauf?
Diese Frage wurde am Porzellanstand Kriener öfter mal gestellt.
Denn die Namenstasse mit „Johanna“ drauf gab es manchmal einfach nicht – auch nicht am Eröffnungstag des Marktes.
Und auch Hanna war dann zeitgleich nicht im Sortiment. Und das, obwohl beide Namen auch damals schon recht verbreitet waren.
Da fragte sich der Kunde dann schon:“Warum??“
Dieses kleine Standgeheimnis kann ich tatsächlich auch jetzt noch auflösen: Der Grund war immer ein „Familienkrach“!
Wenn es in der Familie Streit gab nahm Katharina Kriener die Namen der Gegenseite einfach aus dem Programm.
Dies bestimmte viele Jahre auch welche Namen aus der Verwandschaft zeitweise nicht auf Namenstassen geschrieben wurden.
War meine Großmutter mit ihrer Schwester Johanna, genannt Hanna, über Kreuz, dann gab es keine Namenstassen mit diesen Namen zu kaufen.
„Braucht es nicht“ war der lapidare Kommentar.
War Schwager Karl der „Böse“ wurden keine Tassen für Karl verkauft. Manchmal, wenn sie mit ihrem Mann Streit hatte gab es auch keinen Ferdinand auf der Namenstasse.
Den Kunden wurde das damals natürlich nicht so erklärt, da war einfach „Ausverkauft“ die Antwort – auch am ersten Markttag.
Erst als Katharinas Tochter Ingrid Ackermann in den 70iger Jahren mit ins Geschäft kam wurde das Sortiment an Namen „stabilisiert“.
Sie übernahm die Bestellung der Namenstassen und beobachtete genau, wie sich die Namen verkauften.
Die weit verbreiteten Geburtsanzeigen in der Zeitung waren zu dieser Zeit übrigens willkommene Informationen. Sie zeigten was an Namen gerade in war und was wohl bald in die Liste aufgenommen werden sollte.
Katharina Kriener an ihrem Stand auf dem Ostermarkt in Nürnberg
Andrea Ackermann: Namenstassen auffüllen war nach der Erweiterung des Sortiments deutlich langwieriger!
Namen und Zeitgeist Kulturgeschichte in Namenstassen
Namen tauchen auf und verschwinden – heute sehr schnell und in immer kürzeren Abständen. Aber auch früher gab es schon Moden bei der Namensgebung.
4 kurze Geschichten für historische Modenamen
Am preußischen Königshof: Französisch war das frühe Englisch
Am Hof vom „Alten Fritz“, König Friedrich II (1712- 1786) in Preußen wurde französisch gesprochen. Daher erhielten viele Kinder der adeligen Oberschicht französische Namen. Die wurde im Laufe der Zeit natürlich auch vom „einfachen Volk“ übernommen.
Heißgeliebte Königin: Luise von Preußen
Königin Luise von Preußen (1776-1810) wurde in Preußen sehr verehrt. Auch ihr Name wurde dadurch sehr populär. Viele Mädchen aus allen Schichten wurden in Andenken an die schöne, volksnahe und früh verstorbene Königin denn auch Luise getauft. Luise ist die weibliche Form von Ludwig, er bedeutet „berühmte Kämpferin“. Da Luise von Preußen sich auch nicht scheute mit Napoleon über das Schicksal von Preußen zu verhandeln (was aber keinen Erfolg brachte) passt der Name zu der Frau!
Schön und sozial engagiert: Olga von Württemberg
Zwischen den Württemberger Adel und den Zarenhof gab es viele Heiraten. Doch nur die Königin Olga ist bis heute überall in Stuttgart präsent: Die Zarentochter heiratet Karl II von Württemberg und war von 1846 bis 1892 Königin von Württemberg. Sie war sehr beliebt, auch weil sie war von Anfang an sozial engagiert war. Neben vielen anderen Stiftungen und Vereinsgründungen zur Versorgung von Behinderten und Bedürftigen ist das „Olgäle“, wie das Olgahospital noch heute liebevoll genannt wird, eines der bekannsten. Da wundert es nicht, dass in Stuttgart der Name Olga sehr verbreitet war. Das musste bei den Namenstassenbestellungen für den Stuttgarter Weihnachtsmarkt immer beachtet werden, denn der Name ist dort immer noch sehr beliebt. Olga ist die slawische From von Helga und bedeutet die Heilige oder die Gesunde.
Jung und heilig: Aloisius von Gonzaga
Heiligsprechungen haben auch Modenamen hervorgebracht. Alois ist so ein Name. Aloisius von Gonzaga, Angehöriger der Herrscherfamilie von Mantua wurde nur 23 Jahre alt und starb als er Pestkranke versorgte und sich dabei infizierte. Schon 14 Jahre nach seinem Tod wurde er 1605 seliggesprochen.
Nach seiner Heiligsprechung, 1726, wurde der Name im Süddeutschen Raum sehr beliebt und blieb das bis in die 70iger Jahre des 20 Jahrhunderts. Nach Norddeutschland hat es der Name allerdings nicht geschafft – dort wird er so gut wie nicht vergeben, bis heute. Das liegt wohl auch daran das in protestantischen Gemeinden Heiligennamen keine Rolle spielten oder auch verpöhnt waren. Und in Süddeutschland, besonders in Bayern, gibt es viele mehr Katholiken als im Norden.
Der Name Alois bedeuteted übrigens „der Allweise“.
Das Namenstassen Sortiment wächst rasant
Das Sortiment an Namen wurde mit jedem Jahr breiter, denn es jährlich kamen Dutzende Namen dazu. Die Namen der Kinder in Deutschland änderten sich immer schneller, da neue Trends aufkamen. Die Auswahl an Namen wurde vor allem in den Großstädten immer größer.
Familientradion und Heiligenverehrung bei der Namenswahl
Die Familientraditionen bei der die Kindern in jeder Generation immer die gleichen Namen bekamen, weichten auf und verschwandten.
Der älteste Sohn hieß nun nicht mehr zwingend nach dem Vater, dem Patenonkel oder dem Heiligen der bei der Geburt Namenstag hatte. Dies waren lange Zeit die bestimmenden Faktoren die Namenswahl gewesen, besonders in ländlichen Gegenden. So hielten sich dort die typischen Namen über Jahrhunderte. Joseph/Josef oder Sepp ist in Bayern bis heute beliebt – allerdings schon lange nicht mehr auf den Spitzenplätzen zu finden. Weil früher fast jeder zweite Bayer Josef hieß, mit ersten oder zweitem Namen, wurden die typischen Trachtenhosen und Hüte Seppl oder Seppelhosen und Sepplhüte genannt.
Radio und Fernsehen: Die Namen von Prominenten werden populär
Durch das Radio und das Fernsehen wurden nicht nur Politiker sondern auch Sportler, Schauspieler und andere Prominente deutschlandweit bekannt. Deren Namen kamen dadurch nach und nach zu den traditionellen Namen dazu. Die Auswahl bei den Namenstassen stieg von knapp 200 Namen am Stand innerhalb von 10 Jahren auf 800 und später auf über 1000 vorrätige Namen.
Bei den Töchtern wurden übrigens vor allem Schauspielerinnen und Sängerinnen zu beliebten Namensvorbildern. Brigitte wurde durch Bigitte Bardot noch populärer, Romy durch Romy Schneider, Rita durch Rita Pavone, Marika Röck…
Die (Mädchen)Namen werden internationaler
Manchmal war französisch angesagt, dann wieder kamen italienische, skandinavische oder russische Namen dazu.
- „Tina und Marina“ die Mädchen aus Napoli, von denen der „kleine Italiener“ im Schlager träumte gab es bald auch auf Namenstassen.
- Mit Dunja, Nadja, Nina, Natalie, Natascha oder Tamara wurden russische Namen in den 60iger und 70iger Jahren Mode.
- Annika (die brave Freundin von Pippi Langstrumpf), Britta, Berit und Brigitta kamen aus den skandinavischen Ländern, und waren eine Zeitlang beliebt.
- Chantal, Desirée (nach dem Romanbesteller von Annenmarie Selinko), Jeanette und Jacqueline brachten frnöischen Charme auf Namenstassen
Bei den Mädchen waren die Eltern übrigens insgesamt offener für Neues, die Namen der Jungs blieben da deutlich länger traditionell. Lange Zeit hatten wir immer mehr Mädchennamen auf unseren Namenstassen im Programm als solche für Buben.
Revival: Traditionelle Namen im Aufwind
Und natürlich gab es auch immer wieder ein „Zurück zur Tradition“, besonders bei den Männernamen. Vor allem die Bayern besannen sich auf ihre traditionellen Namen. Das bemerkten wir auf der Auer Dult beim Namenstassenverkauf sehr schnell. In den späten 80iger Jahren waren in München auf einmal Namenstassen mit Quirin, Kilian, Korbinian, Xaver und Alois wieder gefragt. Aber auch die Mädchennamen Maria, Marie und Lena, Lena oder Emma sind Namen die bis heute vorne mit dabei sind. Alle wurden nach und nach wieder ins Namenstassen Sortiment aufgenommen.
Phonetisch geschrieben: Namen nach der Wiedervereinigung
Nach der Wiedervereinigung 1997 kamen auch die teilweise exotischen Schreibweisen von Namen aus der früheren DDR dazu.
Dort wurden englische und französische Namen gerne so geschrieben wie sie gesprochen wurden, z.B. Madleen und Maik. Die gab es dann recht bald auch auf unseren Namenstassen zu kaufen.
Einige der wirklich extremen Schreibweisen wie Schakeline oder Tsems wurden aber nur als Sonderbestellungen als Namenstasse angefertigt, die waren dann doch zu exotisch für die Namensliste.
Namenstassen für jede Region: Bayern, Franken, Württenberg
Unsere Märkt seit 1946 waren alle in Süddeutschland, die meisten davon direkt in Bayern und einige in Baden-Württemberg.
Beim Bestellen von Namenstassen für die verschiedenen Märkte war es wichtig zu wissen, das es erhebliche regionale Unterschiede bei den Namen gibt.
In Franken heißen die Leute anders als in Oberbayern und Niederbayern oder in Baden-Württemberg gab es auch nochmal andere Namen.
Für die Fürther Kirchweih, die Nürnberger und Erlangener Märkte sahen die Bestellungen anders aus als für die Auer Dult in München oder den Stuttgarter Weihnachtsmarkt.
Dabei waren es nicht unbedigt komplett andere Namen, aber die Schwerpunkte waren andere.
Zum Beispiel ist Kilian Stadtheilige von Würzburg – in anderen Städten läuft der Name eher schleppend, in Würzburg ist er noch immer verbreitet.
Alois ist dagegen München und Oberbayern gefragt, in Franken ist der Georg noch beliebter als in Niederbayern.
Die Bestelllisten der Namenstassen wurden mit den Jahren für jeden der Märkte immer ausgefeilter. Das war wichtig, denn falsch bestellte Namenstassen erforderten Lagerhaltung. Das da auch noch Kapital gebunden war machte das nicht besser.
Porzellanstand Stuttgarter Weihnachtsmarkt Stand am Planie 70iger Jahre
Hier gab es noch weniger Namen, dafür aber zwei Sorten Namenstassen!
Namenstassen für die Exoten aus dem Norden
In Bayern und Baden-Württemberg waren unsere Märkte – mit dem Schritt ins Internet kamen schlagartig viele und für uns erst mal exotische Namen dazu.
In Norddeutschland gibt es viele Namen, die wir bis dahin gar nicht auf dem Plan hatten.
Sören, Sönke, Frauke oder Ole, Lasse, Bosse so hießen doch höchstens die Kinder aus Bullerbü!
Diese Namen gabs vorher nicht auf Tasse. Außer natürlich auch schon damals als Namenstassen Sonderbestellung.
Pit, Fiete oder Svenja kannten wir nur von Besuchen bei Verwandten in Hamburg. Deren Tochter hieß lustigerweise Franziska. Das war aber keine Hommage an Bayern sondern ihren Geburtsort San Franzisko geschuldet.
Inzwischen sind diese Namen in den Listen und als Dekore vorhanden – und bei jedem neuen Layout kommen auch neue Namen dazu.